Cookies helfen uns bei der Bereitstellung unserer Inhalte und dabei das Nutzererlebnis zu verbessern. Mit der Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.
Ok Mehr Informationen

Jagdreiten 1912

Im Jagdkalender 2010 der Badischen Dragoner findet sich der folgende Text mit nachdenkenswertem Inhalt. Verfasser ist Reinhold v.Eben-Bauditten, Generalleutnant a.D. Einhundert Jahre später und immer noch zeitlos modern:

„Die Schleppjagden in Hannover nehmen ihren Anfang Ende Juni und dauerten anfangs sechs Wochen, später nur vier Wochen, also bis Ende Juli. Es war im Hannoverschen Jagdgelände möglich, die Schleppjagden in die Sommermonate zu verlegen, weil Heideflächen zur Verfügung standen, demgemäß kein Schaden entstand. Bei den Regimentern verlegte man die Schleppjagdzeit in den Oktober und November aus Rücksicht auf den Dienst und die dann abgeernteten Felder.

Um 4 Uhr vormittags verließen wir meist die Reitschule. 1 – 1 ½ Stunden Trab, die Meute hinter den letzten Reitern, dann waren wir am Ziel. Wohin die Reise gehen sollte, und was für Hindernisse vorkommen würden, wusste vorher niemand. Lautlos, erwatungsvoll, ohne irgendeine Unterhaltung trabte die meist lange Kolonne von Reitern hinaus in die Morgenfrische. Ein ganz kurzer Aufenthalt, die Meute wurde vorgezogen und angelegt. 50 – 100 Meter Vorsprung wurden der Meute gestattet, dann brausten abteilungsweise die Reiter hinterher. Wohl dem, der ein Pferd mit gutem Temperament hatte, das er mit einer Hand reiten konnte. Das war dann allerdings ein vollendeter Genuß. Umgekehrt konnte man es als Hausknechtsarbeit bezeichnen für diejenigen, die auf einer blindwütigen aufgeregten Bestie saßen und  alle bisher gelernten reiterlichen Künste und Kniffe verwenden mussten, um niemanden anzureiten oder gar in die Meute zu geraten und Hunde überzureiten, bis sie dann endlich aufatmend am Schlusse der Schleppe landeten. Hier lösten sich dann auch plötzlich die Zungen sämtlicher Reiter. Es war dann herzerquickend, die Ausdrücke der Genugtuung zu hören: über den schönen Ritt, den großen Graben, den tauigen Morgen, das brave Tier, von dem man schnell abgesprungen war. „Nichts stimmt fröhlicher als das Bewusstsein einer überstandenen Gefahr!“ – wenn es auch nur eine kleine war.
Und dann die angeregte Unterhaltung auf dem Heimwege und ganz besonders bei dem darauffolgenden Frühstück mit dem köstlichen, kaum zu stillenden Durst im heißen Sommer. Und in der Tat: es liegt etwas in diesen Schleppjagden, wenn sie richtig und sachgemäß ausgesucht und veranlagt werden. Das aber ist nicht so ganz einfach. Ich habe immer den Standpunkt vertreten, dass das Gelände und die Hindernisse so ausgesucht und angelegt werden müssen, dass das im Jagdfelde befindliche am wenigsten begabte Pferd imstande ist, alles glatt zu überwinden. Die Schleppjagd soll begeistern, aber nicht abschrecken. An zwei verschiedenen Plätzen habe ich das Gegenteil gefunden. Die Schleppjagd wurde dort nach der Anzahl der vorkommenden Stürze bewertet. Es ist kein  Kunststück, als Master auf einem besonders gut springenden Pferd, vorn an der Spitze des Jagdfeldes reitend, ungestört über klobige Hindernisse zu gehen, nicht belästigt durch andere Reiter, dem Pferde ein kaltblütiges Taxieren der Hindernisse und Abspringen ermöglichend, während man im Jagdfelde viele Reiter sieht, die auf schrammendem Pferd zwar mit Herzenslust, aber dennoch mit Seelenangst ihre Pferde gegen die Hindernisse fahren; denn reiten kann man es kaum nennen – natürlich nur vom Standpunkt des Jagdreiters aus betrachtet. Wir haben uns in Hannover während des Jagdgalopps taktische Aufgaben gestellt, die sofort beantwortet wurden in Form eines Befehls. Wer in der Haltung sein Pferd mit einer Hand reitet, kommt schneller mit der Antwort heraus als jemand, der auf einem schrammenden Pferd sitzt.“